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Alle Wege führen zur Moschee, hin zur Synagoge oder in eine Kirche – die Jerusalemer Altstadt ist eine Offenbarung zu den Unterschieden des Glaubens. Fast greifbar ist die allgegenwärtige Frömmigkeit. Unser Weg zur Grabeskirche beginnt am Damaskustor, schon in römischer Zeit der Haupteingang in die Stadt, dessen kleines Portal links unter dem Straßenniveau noch aus dieser Zeit stammt, dessen Fundamente sind herodianisch (der Zeit Herodes des Großen, um 73 v. Chr.- 4 v. Chr.) und die Türme links und rechts in mamelukkischem Baustil (ca 1537 n. Chr.). Zu beiden Seiten des ottomanischen Torbogens sind Säulen mit Blumenreliefs angebracht, so auch der Name Bab el-Amud - das Säulentor. Dahinter öffnet sich ein großer Platz an dessen Ende die Straße Suq Khan ez-Zeit geradewegs zur Via Dolorosa führt. Rechts, vorbei am Koptischen Patriarchat geht es zum Heiligen Grab. Hier also soll es gewesen sein. Ein antiquarischer Bau, mitten hineingepflanzt in ein Labyrinth von engen Gassen, Mauern und Ladengeschäften. Mehr als zweitausend Jahre sind vergangen, noch immer schlägt hier das Herz der christlichen Welt, hier ist Glaube und Geschichte fassbar - ein Marktplatz für Frömmigkeit und Zwietracht, für Seelenheil und Verzückung, für Zwiespalt und Zweifel. In Stein gemeißelte Religion, weder prächtig noch zweckmäßig. Doch dieser Faszination kann man sich schwerlich entziehen. Dies hier ist der Nabel der Welt, als Nappa Mundi bis in die Neuzeit auf den Weltkarten verzeichnet.
Quelle: Google Earth |
Golgatha ist hier, die XIV. und letzte Station des Kreuzweges. Als "König der Juden" von den Römern verurteilt, als "Sohn Gottes" am Kreuz gestorben. Und exemplarisch für Religion und das Dilemma mit dem Glauben ist im Miteinander in der Grabeskirche beispielhaft. Mit allen Facetten von Liturgien, Riten und Zeremonien zu kirchlicher und religiöser Bekenntnis wird hier unter der Kuppel am Grab im Namen Gottes die Deutung des Glaubens zelebriert. Das alles mag den Besucher irritieren, wähnt er sich doch hier an der Geburtsstätte des Christentums. Aber der Glaube hat viele Wege gefunden und sich im Labyrinth der alten Mauern verloren. Waren es einst die Zehn Gebote, die alle Grundvoraussetzung zum menschlichen Miteinander in Regeln fasste, so hat sich daraus eine fast schon wissenschaftliche Erklärungsbemühung entwickelt. Und ganz im Gegensatz zur friedlichen Botschaft ist der Umgang hier vom Konkurrenzdenken geprägt.
Am 22. März 2017 war der Andrang am Heiligen Grab besonders groß. Nach fast einem Jahr feierte man ein wahrhaft historisches Ereignis: trotz aller Uneinigkeit der konkurrierenden christlichen Glaubensrichtungen hatte man sich fast ein Jahr zuvor auf Restaurierungsarbeiten an der Grabkapelle geeinigt. Und nun, an diesem Mittwoch erstrahlte die Kapelle unter der Rotunde der Grabeskirche in neuem Glanz. Das Team von Wissenschaftlern und Restauratoren unter der Leitung von der Professorin Antonia Moropoulou von der Universität in Athen hatte ganze Arbeit geleistet. Nun wurde die Kapelle von kirchlichen Würdenträgern neu eingeweiht.
Zehn Monate war man mit dem kleinen Bau in der Grabeskirche beschäftigt. Seit 1947 musste er mit Stahlträgern gestützt werden, Feuer und Erdbeben hatten Risse in den Steinen verursacht, schon lange waren die Wände porös und feucht. Es wurden Teile der Mauer ausgetauscht, Steinplatten wurden gereinigt, Ruß und Kerzenwachs entfernt. Und zum ersten Mal seit Jahrhunderten wurde die cremefarbige Marmorverkleidung über dem Grab entfernt, die man im Jahr 1555 zum Schutz angefertigt hatte. Die Befunde scheinen zu bestätigen, dass darunter noch Teile des Grabes vorhanden sind. Als in der Nacht zum 26. Oktober 2016 die Verkleidung abgehoben wurde und das Füllmaterial darunter entfernt wurde, stieß man auf eine weitere, zerbrochene Marmorplatte, in die ein kleines Kreuz eingraviert war. Der Felsen darunter befand sich in einem fast völlig unversehrten Zustand, gerade so groß, dass man einen Menschen dort darauflegen konnte. Nach umfangreichen Dokumentationen an der Oberfläche des darunter befindlichen Felsens wurde das Heilige Grab mit seiner ursprünglichen Marmorverkleidung versiegelt. So war der 22. März 2017 wahrlich ein historischer Moment. Beweise, die wissenschaftlich hätten untermauert werden können gab es zwar keine, aber der heiligste Ort der Christen hatte endlich seine Würde zurück erhalten. Erdbebensicher und gereinigt ist nicht nur die Grabkapelle sondern auch der Glaube der Pilger aus aller Welt.
"...S.TIBERIÉVM PONTIVS PILTVS PRAEFECTVS IVDAEAE...É..." (Pontius Pilatus, der Präfekt von Judäa (errichtete) ein (Gebäude, gewidmet dem Kaiser) Tiberius). Auch Flavius erwähnt ihn: "...was Judäa anlangt, so sandte Tiberius dorthin den Pilatus als Landpfleger" (10. Josephus über Pilatus (Jüdischer Krieg II 9,2f. 169-174). Sein hartes Urteil im Prozess gegen den "König der Juden" verschaffte ihm einen Platz in der Geschichte. Pilatus war im Jahre 30 nach Jerusalem gekommen, um die Ordnung während des Passah-Festes zu überwachen. Der spektakuläre Auftritt von Jesus war für ihn zunächst kein Anlass einzuschreiten. Doch dem (jüdischen) Hohen Rat unter dem Hohen Priester Kaiphas missfielen die Gesetzesverstöße von Jesus. Dieser hatte nicht nur die Geldwechsler aus dem Tempel gejagt, er verletzte auch die Sabbatruhe, ließ sich als Messias begrüßen und versprach, Israel von den Römern zu befreien. Anderseits vertrat Kaiphas die Ansicht, "es ist uns besser ein Mensch sterbe für das Volk, denn dass das ganze Volk verderbe" (Joh. 11,50). Er sollte sterben für das Volk. Zudem war man in Eile, zu den Feiertage waren viele Pilger in der Stadt. Jesus wurde festgenommen und vor den Statthalter Pilatus gebracht. Der Prozess ließ keine Zweifel aufkommen: wer sich als "Messias" bezeichnete oder so nennen ließ, hatte nach römischen Recht mit der Todesstrafe zu rechnen. Auch die Proteste der Juden halfen da wenig. Eine Amnestie konnte nur der Kaiser erlassen. Die Kreuzigung* war zwar grausam, dennoch eine damals korrekte Strafvollstreckung. Pilatus unterstand zwar dem Statthalter Syriens, konnte vor Ort aber selbständig entscheiden. So schließlich auch im Prozess gegen die Gesetzte verstoßenden Jesus.
*In einer Grabhöhle aus der Zeit Jesu, nordöstlich von Jerusalem in einem Gebiet namens Giv'at ha-Mivtar, wurde 1968 ein menschlicher Fersenknochen gefunden. Dieser war durchbohrt mit einem zwölf Zentimeter lange Eisennagel.
Die Philosophie des christlichen Glaubens ist logisch: ohne Pilatus kein Tod am Kreuz und keine Auferstehung. So wird verständlich, warum der "Christusmörder" Pilatus als Heiliger der Koptischen Kirche verehrt wird. (seit dem 6. Jahrhundert wird in der koptischen Kirche Ägyptens und Äthiopiens sein Festtag gefeiert) Sind in der westlichen Kirche die Juden die eigentlichen Verantwortlichen, so gilt im koptischen Glauben Pilatus nur als Vollstrecker der Weissagung der Propheten. Seine Frau, Claudia Procula (?) wird in der griechisch-orthodoxen Kirche als Heilige verehrt. Es dauerte bis zum II. Vatikanum (1962-65) unter Papst Johannes XXIII., wonach die Juden von dieser Kollektivschuld zwar nicht freigesprochen, ihnen aber zugestanden wurde, Opfer falscher Anschuldigungen zu sein.
Geschichte des Urchristentums |
"Solcher Thaten und überdieß falscher Eidschwüre sich bewußt, begehrte er von den Priestern Aussühnung seiner Verbrechen. Auf ihre Antwort, daß es keine Reinigungsweise für solche Gottlosigkeiten gebe, gelangte ein gewisser Aegyptier, welcher, in Spanien gewesen, und mit dem Hoffrauenzimmer bekannt war, zu einer Unterredung mit Konstantinus, und versicherte ihn: die Christliche Lehre tilge alle Sünden, und enthalte die Verheißung, daß die Gottlosen, welche dieselbe annähmen, sogleich von aller Sünde gereinigt würden. Diese Nachricht nahm Konstantinus sehr begierig an, verließ seinen väterlichen Gottesdienst, hielt sich an dasjenige, was der Aegyptier ihm beibrachte, und machte den Anfang seiner Irreligion damit, daß er die Wahrsagerei für verdächtig hielt."
Quellenangaben: Geschichte des Zosimus. 2. Buch, 29. Kapitel Aus dem Griechischen zum Erstenmale übersetzt und mit Anmerkungen begleitet von Seybold und Heyler. (Sammlung der neuesten Übersetzungen der Griechischen prosaischen Schriftsteller 10), Frankfurt am Main 1802.
*Helena, Mutter Konstantins des Großen, Heilige, *um 250, † vermtl. 330 (August 328?). Grabmal in der Kirche Santa Maria in Aracoeli in Rom. Gedenktag 18. August.
Quelle: Zentralblatt der Bauverwaltung Nr.49, Hrsg: Ministerium der öffentlichen Arbeiten Berlin, 15.Juni 1918 |
Ob sich hier tatsächlich das Grab Jesu befunden hat, ist eine Frage des Glaubens. Beweisen lässt es sich nicht. Sicher ist, dieser Ort lag damals außerhalb der Stadtmauern. Bei Renovierungsarbeiten an der nahe gelegenen Erlöserkirche entdeckte die damalige Direktorin des Deutschen Instituts für Altertumswissenschaft, Ute Wagern-Lux, 1974 einen römischen Steinbruch, der sich wie auch der Golgatahügel vor der Stadtmauer befunden haben muss.
Quelle: Ute Lux, Ausgrabungen unter der Erlöserkirche in Jerusalem, ZDPV 88, 1972.
Siehe auch 👉 Erlöserkirche Jerusalem
Brief des Kaiser an Makarius, den Bischof der Kirche in Jerusalem, über den Bau der Grabeskirche:
„Der Sieger Kaiser Konstantin der Große an Makarius:
So groß ist die Gnade unseres Erlösers, daß kein Aufwand an Worten des vorliegenden Wunders würdig zu sein scheint. Denn es übersteigt doch wahrlich alles Staunen, daß das Denkzeichen seines hochheiligen Leidens schon so lange unter der Erde verdeckt und so viele Jahre hindurch verborgen gewesen ist, bis es seinen infolge der Vernichtung des gemeinsamen Feindes der ganzen Welt befreiten Dienern wieder aufleuchten sollte. Denn wenn auch alle, die auf dem ganzen Erdkreis für weise gelten, an einem Orte zusammenkämen und etwas vorbringen wollten, was dieses Ereignisses würdig wäre, so könnten sie doch auch nicht im geringsten danach streben, weil die Beglaubigung dieses Wunders eben jede menschlicher Vernunft teilhaftige Natur in dem Maße übersteigt wie Himmlisches sich mächtiger erweist als das Irdische. Darum ist auch dies immer mein erstes und einziges Ziel, daß in dem nämlichen Grade, wie sich die Beglaubigung der Wahrheit täglich durch neue Wunder zeigt, auch in unser aller Herzen durch alle Besonnenheit und einträchtige Bereitwilligkeit der Eifer bezüglich des heiligen Gesetzes zunehme. Was nun, wie ich glaube, allen bekannt ist, davon möchte ich ganz besonders dich überzeugt wissen, daß mir mehr als an allem andern daran liegt, diesen heiligen Ort mit herrlichen Bauten zu schmücken, den ich auf Geheiß Gottes von dem schmählichen über ihm aufgestellten Götzenbilde wie von einer drückenden Last befreit habe, jenen Ort, der schon von Anfang an nach dem Ratschlusse Gottes geheiligt ward, doch noch heiliger geworden ist, seitdem er das Zeugnis für das Leiden des Erlösers ans Licht gebracht hat."
Aus Bibliothek der Kirchenväter
(Vita Constantini et Oratio ad coetum sanctorum) Buch
👉 http://www.unifr.ch/bkv/index.htm
Der syrische(?) Architekt Zenobius (Zenobios) aus Sidon (?) war zusammen mit dem Presbyter Eustathios(?) mit der Arbeit für die Kirche beauftragt worden.*
*gesicherte Quellen darüber sind nicht aufzufinden. In Konstantins Briefen finden beide keine Erwähnung. Genannt (übernommen) wurden sie in der Chronographie des Theophanes: "martyrii hierosolym architectus" - Architekt des Martyrium in Jerusalem. Theophanes (*ca. 760 in Konstantinopel, † 12.03.818) war byzantinischer Geschichtsschreiber über die Zeit 284 bis.813 n.Chr. Ein Hinweis findet sich bei Philipp Häuser "Bibliothek der Kirchenväter" (1922) über die Katechesen des hl. Cyrillus, in dem er auf ein vor 460 entstandenes Schriftchen unter dem Titel "Breviarius, quomodo Hieroslima constucta est" verweist. ("..wie Jerusalem erbaut wurde") - Jede Kirche über dem Grab eines Märtyrers hatte den Namen Martyrium, in Jerusalem nur die über dem Heiligen Grab (Magnum Martyrium)
Siehe auch: Philipp Häuser, Einleitung zu den Kathechesen. In: Des heiligen Cyrillus Bischofs von Jerusalem. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 41) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1922:
"...Nach zehnjähriger Bautätigkeit wurden am 13. September des Jahres 336 die Prachtbauten am Grabe des Erlösers — eine Schöpfung des syrischen Architekten Zenobius — mit unerhörter Feierlichkeit eingeweiht...."
Eine prächtige Kirche über dem Heiligen Grabe, die nach ihrer Fertigstellung in allen Einzelheiten von Eusebius von Caesarea, einem zeitgenössischen Historiker und Biographen, beschrieben wird. Zwei Jahre später ließ sich der Römische Kaier am 22.05.337 taufen. Im weiteren Verlauf des 4. Jahrhunderts (und darüber hinaus) entstanden weitere Kirchen in Jerusalem und in ganz Palästina.
Jesus und Maria Magdalena Auferstehung Fenster in der Kapelle der Apostolischen Nuntiatur Berlin (Künstler Wilhelm Buschulte) Foto: uHuber |
Quelle: "Mater ecclesiarum, die Grabeskirche in Jerusalem", Karl Schmaltz, 1918 (Theologe und Kirchenhistoriker)
All dies geschah in den Jahren des Patriarchen von Antiochia, Johannes bar Abdûn und des Patriarchen Zacharias von Ägypten und des Bischofs Thomas von Jerusalem, so ein anonymer syrisch-orthodoxer Chronist aus dem Jahr 1234.
Was auch immer der Auslöser war, die Grabeskirche wurde 1048 vom byzantinischen Kaiser Konstantin IX. Monomachus* erneut aufgebaut, 1055 unter dem Kalifen al-Mustansir erneut geplündert. Ab 1144 errichteten die Kreuzfahrer die gesamte Kirche von neuem und nahmen zahlreiche Veränderungen und Ergänzungen an den Bau vor. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte verfiel die Kirche allmählich, und wurde 1555 wieder einmal renoviert. Von den Franziskanern wurde die Grabesaedkula neu gestaltet.
*Konstantin IX. Monomachus, *um 1000, Kaiser von Byzanz vom 11.06.1042 bis zum Tod 11.01.1055, bestattet in Konstantinopel.
Grundriss des Heiligen Grabes, 1754, Zeichnung von Pater Ludwig Voogt (Quelle: „Sammlung der merkwürdigsten Reisen in den Orient“ Hrsg.: Heinrich Eberhard Gottlob Paulus, Jena 1792) |
"Das heiligste Gab des Herrn, aus dem Felsen herausgehauen, bot sich unseren Augen offen an. Auf ihm waren zwei gemalte, übereinander angeordnete Engel zu erkennen; einer sprach auf einem Schriftband: 'Hier ist der Ort, wo sie ihn hingelegt haben.' Sobald diese Bilder den ersten Luftzug spürten, lösten sie sich zum größten Teil auf. Als eine der Alabasterplatten... weggenommen werden musste, erschien uns jene unaussprechliche Stelle offen, in welche der Menschensohn drei Tage geruht hat... Die Stelle leuchtete wie mit gleißenden Sonnenstrahlen vom heiligsten Blut des Herrn Jesus, das mit jenem Öl vermischt war, mit welchem er am Grab gesalbt worden war... In der Mitte des heiligsten Ortes fanden wir ein Holz hingelegt, in ein kostbares Schweißtuch eingewickelt. Als wir es ehrfurchtsvoll in die Hände nahmen und küssten, wobei es der Luft ausgesetzt wurde, zerfiel das Schweißtuch unter unseren Händen zu nichts, nur einige Goldfäden blieben übrig. Dem kostbaren Holz waren auch Inschriften beigefügt, aber sie waren vom Alter so zerstört und verbleicht, dass man aus den einzelnen Worten keinen einzigen ganzen Satz zusammenstellen konnte. Einzig ganz oben auf einem Blatt konnte man folgende in lateinischen Großbuchstaben geschriebenen Worte lesen: 'HELENA MAGNI [CONSTANTINI MATER FECIT] (Helena, Mutter Konstantin des Großen hat dies geschaffen)"
*Bonifatius von Ragusa, *1504 - †06.02.1582, Franziskanermönch und Bischof der römisch-katholischen Kirche, Kustode des Heiligen Landes in Jerusalem.
Heiliges Grab in Görlitz Foto. www.timediver.de |
"..Es sein auch vier Weiber mit uns auff dem Heiligen Lande gewesen, zwo aus Zypern, eine von Olmitz mit irem Manne und sonsten eine Deutsche aus der Schlesien von Görlitz mit irem Man. Die zwey Eheleut von Görlitz haben das muster vom Heiligen Grabe zu Hierusalem genommen und darnach zu Görlitz heraußen vor der Stadt eine Capellen bauen lassen und ein Grab in aller gestalt, wie das Heilige Grab zu Hierusalem ist."
Quelle 👉 Digitale Sammlungen
Bautzen 1719 kolorierter Kupferstich Sächsische Landesbibliothek Staats- und Universitätsbibliothek Dresden |
weitere Quellen:
Aus: “Umständliche Beschreibung des Heiligen Grabes zu Görlitz, Custos des Heiligen Grabes, 1870”(zur besseren Lesbarkeit wurde der Text der heutigen Schreibweise angepasst)Rückblick auf die Entstehung des heiligen Grabes zu Görlitz.Weil nun die Wallfahrten nach dem heiligen Grabe zu Jerusalem mit so großen Beschwerlichkeiten, Gefahren und Kosten verbunden waren, und man dennoch danach trachtete, die heiligen Denkmäler des Todes und der Auferstehung Jesu Christi zu besuchen, so fand man es für gut und zweckmäßig, in Ermangelung des Originals, gewisse Abbildungen davon zu veranstalten, um dadurch bem Bedürfnis gläubiger Seelen einigermaßen abzuhelfen. Und so ist denn auch das heilige Grab zu Görlitz entstanden. Sein Erbauer war Georg Emerich, 1422 zu Görlitz geboren. Sein Vater, Urban Emerich war Bürgermeister und Herr auf Ludwigsdorf, und seine Mutter, Margarethe, eine geborene Sauermann. Er widmete sich der Rechtsgelehrsamkeit, ward darin Baccalaureus, 1470 Ratsmitglied, verwaltete seit 1484 fünfmal das Amt eines Bürgermeisters und starb den 21. Januar 1507, in einem Alter von 85 Jahren. Seine zahlreiche Nachkommenschaft, er erzeugte 15 Kinder in zweimaliger Verheiratung und zwar zuerst mit Barbara Kuebel und später mit Clara Eschlauer, davon sich viele in den wichtigsten Ämtern ausgezeichnet hervorgetan haben, ist jetzt so erloschen, daß nur noch in einer Linie des männlichen Geschlechts-Namens, und zwar von seines Bruders, Wenzeslaus Seite, die im Jahre 1559 vom Kaiser Ferdinand in den Adelsstand erhoben ward, seine Familie fort blühet. Auch die Nachkommen dieses Emerich zeichneten sich schon in früheren Jahren durch Kenntnisse und Unternehmungen aus, wie unter andern ein auf hiesigem Nicolai-Kirchhofe befindliches Monument andeutet, auf welchem von einem Georg Emerich geb. 1602 den 17. März gesagt wird, er habe sich große Verdienste erworben; sei einer der vorzüglichsten Bürger seiner Vaterstadt und in vieler Hinsicht ein tätiger Beförderer des Wohles seines Vaterlandes gewesen; habe als Jüngling zu Prag und Wien kaiserliche Geschäfte verwaltet; sei nachher als Kammerherr im Gefolge des kaiserlichen Gesandten nach Konstantinopel gereist, habe Amurath dem Vierten seine Ehrfurcht bezeugt; auch habe er Italien durchreist usw. Georg Emerich, der Erbauer des Heiligen Grabes befand sich im Besitz großer Reichtümer. Er besaß nicht nur innerhalb der Stadt sieben große Häuser und mehrere Gärten bei der Stadt, sondern auch das Städtchen Schönberg, das er sich für 5640 Mark erworben, und überdies noch zwölf Landgüter in der Nähe der Stadt Görlitz, nämlich : Halbendorf, Stolzenberg, Heydersdorf, Thielitz, Nickrisch, Hermsdorf, Leopoldshain, Sercha, Sohra, Neundorf, Lissa, Zodel, auch die Hälfte von Leschwitz. Außerdem hinterließ er nach seinem Tode noch seinen lebenden 12 Kindern eine bare Geldsumme von 31.200 ungarischen Gulden. Er war aber auch im Besitz höherer Güter, und besonders einer gründlichen Gelehrsamkeit, und legte in allen Ämtern, die er zu verwalten hatte, die rühmlichsten Beweise davon ab. Luther selbst, der ihn wohl persönlich gekannt haben mag, rühmt ihn als einen fleißigen und unverdrossenen Mann, dem alles wohl gelungen sei und, der sich überall geschickt bewiesen habe. Im dreiundvierzigsten Jahre seines Lebens, nämlich 1465, entschloß er sich zu einer Reise nach Jerusalem, obschon mit dem Vorsatz, nach seiner Rückkunft eine Nachbildung des heiligen Grabes zu veranstalten, oder bloß, um dem damals höchst bedenklichen politischen Zeitgeiste im Vaterlande auszuweichen, oder beides berücksichtigend - ist ebenso ungewiss als dass er gleich damals zwei Künstler, einen Maler und einen Baumeister mit sich genommen habe, indem man auch nach einer andern Sage behaupten will, es sei dies erst bei der zweiten Reise geschehen, um alles genauer zu besichtigen, auszumessen und abzuzeichnen, was bei der ersten vielleicht übersehen war. Jedoch wenn wir der Nachricht folgen, die wir vor uns haben, so trat er schon seine erste Reise in Begleitung dieser beiden Künstler an, aus welchem Umstand sich nicht ohne Grund auf die wahre Absicht schließen läßt. Die Reise ging über Venedig und Alexandrien und glücklich erreichte er das Ziel derselben. Nachdem er nun hier seine Wißbegierde befriedigt, alle merkwürdigen Orte und Reliquien besehen und an heiliger Stätte die Übungen seiner Andacht vollbracht hatte, wurde er am 11. Juli des selben Jahres von dem Guardian des Minoritenklosters Franziskus von Piacenza, zum Ritter geschlagen, worüber sich noch, nebst dem von dem Guardian ausgestellten Zeugnis, folgendes Chronodistischen erhalten hat: EMericus CVstos, qVI gnaVVs reXerat Vrbis frena, sVper ChrIstI qVasta CreatVs eqVes.Emerich, der treulich das Regiment der Stadt geführt, ist an der Stelle des heiligen Grabes zum Ritter geschlagen worden. Diese Zeremonie findet auch noch heutzutage statt. So erzählt zum Beispiel der bekannte französische Staatsminister Chateaubriand, welchem, als er 1806 eine Reise nach Jerusalem gemacht, eine ähnliche Ehre zuteil wurde, folgendes davon: ,ich wurde um 1 Uhr in die Kirche geführt; die Türen wurden verschlossen, damit die Türken nicht die Waffen bemerken sollten, was den Mönchen das Leben gekostet haben würde. Der Hüter des heiligen Grabes legte die festlichen Kirchengewänder an, Lampen und Wachskerzen brannten und die Brüder bildeten mit auf der Brust gekreuzten Armen einen Kreis um mich." Auch setzt er noch hinzu, daß dieser Orden, einer der ältesten der Christenheit, ehedem ziemlich in Europa verbreitet gewesen, jetzt aber fast nur in Polen und Spanien zu finden sei. Jenes Zeugnis das unserm Emerich ausgestellt ward und wofür er 12. Dukaten bezahlen musste, ist abschriftlich in dem Knopfe des kleinen Turmes auf der Kirche des hiesigen Heiligen Grabes befindlich. Die Künstler, welche er mit sich genommen, mußten alle Aufmerksamkeit auf die ihnen angegebenen Gegenstände richten, davon nach der inneren und äußerlichen Beschaffenheit sorgfältige Abrisse entwerfen und alles nach Höhe, Länge, Breite und Entfernung ausmessen, um bei der beabsichtigten Nachbildung dem Originale auch im Kleinsten zu entsprechen. Noch bei Lebzeiten seines Vaters, welcher 1470 starb, kam er glücklich zurück und war auch sogleich bemüht, in der Umgegend der Stadt einen Platz aufzufinden, der mit der Gegend Jerusalems die meiste Ähnlichkeit habe. Nach vielem Suchen und Nachdenken glaubte er endlich in der Gegend, wo sich jetzt das von ihm erbaute heilige Denkmal befindet, den schicklichsten Platz dazu gefunden zu haben, nämlich nordwestlich auf einer Anhöhe der äußersten Vorstadt, die von der andern Vorstadt durch das sogenannte Kreuztor abgesondert ist, und zwar im Herausgehen zur rechten Hand. Dort schien ihm nämlich das von Norden gegen Süden und von da wieder bei der Stadtmauer vorbei gegen Osten sich hin schlängelnde Flüßchen, die Lunitz genannt, den Bach Kidron ober Kedron, die Hauptkirche zu St. Petri und Pauli das Richthaus Pilati, ein auf der oben genannten ziemlichen Anhöhe von Süden gegen Norden, vierzig Schritt in die Länge und zwanzig in die Breite sich ausdehnender Garten den Kalvarienberg oder die Schädelstätte nebst der dazugehörigen Gegend, und der dahinter nordostwärts liegende Hügel den Oelberg einigermaßen vorzustellen, und darum entschloß er sich dazu, an diesem Orte das beabsichtigte Werk auszuführen. Allein er bedurfte dazu nach den damaligen Umständen der bischöflichen Einwilligung, wodurch denn die Erbauung derselben verzögert wurde. Da er nun während der Zeit dieser Verzögerung gerade kein Amt im Stadtmagistrat, in welchen er vor einigen Jahren getreten war, zu verwalten hatte, so faßte er 1476 den Entschluß zu einer zweiten Reise nach Jerusalem. Auf dieser Reise begegnete er zufällig einer Landsmännin, Agnes Finger, einer reichen Tuchmacher-Wittwe, welche den Herzog Albrecht von Sachsen auf seinem Zuge ins gelobte Land im Pilgerhabit begleitete. Man hielt hernach unsern Emerich und diese Agnes für zwei Eheleute, und daher heißt es in einer Beschreibung, welche der Land-Rentmeister und Ritter Hans von Mergenthal [†1488] von dieser Reise aufgesetzt und Hieron Weller [Hieronymus Weller] 1586 herausgegeben hat: „Diese zwei Eheleute haben das Muster vom heiligen Grabe genommen und danach zu Görlitz vor der Stadt eine Kapelle bauen lassen und ein Grab in aller Gestalt wie das zu Jerusalem." Allein Agnes Finger hat keinen besonderen Anteil an der Erbauung dieses Grabes genommen, ob sie gleich sehr mildtätig gewesen ist. - Mit ihr, die ihn unerwartet mit Namen nannte und sich zu erkennen gab, setzte er die Reise fort und schloß sich an die größere Gesellschaft an. Diesmal verweilte er länger zu Jerusalem. Er ließ durch die wieder mit sich genommenen Künstler die Richtigkeit der vorhin gemachten Abmessungen und Risse aufs Neue untersuchen und da, wo sich ein Fehler vorfand, solchen genau verbessern und kam erst 1478 nach manchen glücklich überstandenen Gefahren nach Görlitz zurück, konnte aber erst im Jahr 1480, den 1. October durch den Offizial des meißnischen Bischofs, Johann des Fünften zu Budissin [Johann V. von Weißenbach, † 01.11.1487 in Leipzig, war von 1476 bis 1487 Bischof von Meißen], Dr. Casp. Marienna die Erlaubnis erhalten, die Ausbreitung des Namens und Dienstes Christ durch Nachbildung des heiligen Grabes, wie er meinte, in seiner Vaterstadt zu befördern und dadurch die Verehrung der heiligen Orte, die in ihm bei dem persönlichen Besuch erhöht worden war, auf seine Mitbürger (zu) übertragen. - Nun aber wurde gleich im Jahre darauf durch den Werkmeister Blasius Röhrer aus Leipzig mit Erbauung der Kirche und der übrigen Denkmäler begonnen und schon im Jahre 1489 war das Werk beendet. 1504 erhielt der Magistrat durch Dr. Wilibald Petzig, Offizial in Budissin [heute Bautzen], in Abwesenheit des Bischofs Johann des Sechsten, die bischöfliche Bewilligung, den Altar der Kirche durch Johann, Bischof zu Waradein [Johann Filipec, tschechisch: Jan Filipec [*1431 in Proßnitz, Mähren, † 28.06.1509 in Ungarisch Hradisch]; auch Jan z Prostějova. Nach der Bischofsliste von Großwardein: Johannes IX. Filipecz de Prosznicz; *1431 in Proßnitz, Mähren, †28.06.1509 in Ungarisch Hradisch], weihen zu lassen.
In „Geschichte von Görlitz“ von C. G. Theodor Neumann, 1850, wird das Heilige Grab von Görlitz wie folgt beschrieben:
„Die Eingangstür ist auf der Morgenseite. Dicht an derselben liegen links und rechts zwei große gehauene Steine der Länge nach, worauf die Grabwächter gesessen haben sollen; ein Dritter liegt einige Schritte davor quervor zur Erinnerung an den Stein vor dem Grabe. An der Wand befinden sich die Riegel, daneben die Siegel des Pilatus und beider Hoherpriester. Ferner stehen zwei Specereigefäße wegen der zweiten Salbung Christi durch die drei Weiber da. Das erste ist ein einfaches Vorgemach. Der Eingangstür gegenüber zur linken Hand ist eine 2⅛ Elle hohe Öffnung, welche in das Heilige Grab selbst hinabführt. Vor demselben liegt ein Stein, worauf der Engel am Auferstehungsmorgen saß. Das Grab selbst ist 3⅜ Ellen lang, 3⅛ Ellen breit und 6¼ Ellen hoch. Es ist darin nichts Merkwürdiges, außer einer Statue von Christus, welche 5 Fuß 5½ Zoll lang ist. Der Berg, welcher sich jenseits der Lunitz (Bach Kidron) erhebt, soll den Ölberg vorstellen; der südwärts an ihm stehende umzäunte, die Stelle wo Christus gebetet hat; eine Steinwurfweite südöstlich weg ist ein viereckiges Rasenplätzchen, das den Ort bezeichnet, wo er seine drei Schüler verließ und diese einschliefen.“
Foto der Grabeskirche 1861 |
Plan der Grabeskirche 1898 durch Conrad Schick |
Grabeskirche, ca 1918 Quelle: Zentralblatt der Bauverwaltung N.49, Berlin 1918 |
Im Laufe der Jahre, bedingt durch seine Ausgrabungen und Vermessungen an der Grabeskirche hatte sich seine Meinung über das Grab völlig gewandelt. Gräber wurden nie innerhalb der Stadt angelegt, und er hatte nun Hinweise gefunden, dass die Stelle des Grabes Jesu zwar nahe der Mauern von Jerusalem gelegen war, aber doch außerhalb der damaligen Stadtmauer. Hier, wo auch der Hügel Golgatha gewesen sein soll, wölbt sich die Kuppel der Grabeskirche über dem Heiligen Grab. Doch einen endgültigen Hinweis hatte auch der Baurat nicht erbringen können.
1916 - das wohl erste Foto einer Kirchgängerin am Heiligen Grab (aus New York Tribune) |
Turm der Grabeskirche (Dumont) |
* Bauer, Benedikt, geboren am 12. März 1847 in Waltersweiler Kreis Offenburg, gestorben am 09. Februar 1928 in Überlingen. Dr. der Theologie, katholischer Pfarrer. Priesterweihe 1870. Vikar in Schliengen und Stetten bei Lörrach, ab 1881 Kurat in Höllstein und Schopfheim. 1885 Reise in den Orient. ‚Nach dem Heiligen Lande‘ veröffentlicht 1887. Wurde 1920 von der Theologischen Fakultät in Freiburg im Breisgau zum Doktor ernannt und im gleichen Jahr zum Geistlichen Rat.
Salbungsstein |
*Wolff: Philipp W., Orientalist, geboren in Ulm am 22. December 1810, † in Tübingen am 1. Januar 1894, widmete auf der Universität Tübingen sein Hauptstudium der Theologie, aber frühe erfaßte ihn die Neigung zur Erlernung orientalischer Sprachen und dies führte ihn nach Halle, wo Rödiger, Gesenius, Tholuck und Ullmann seine Lehrer wurden. Der Erstgenannte spielte ihm den Text eines arabischen Dichters in die Hände, mit dessen Herausgabe W. doctorirte (1834). Später saß er in Paris zu den Füßen Silvestre de Sacy's. In die Heimath zurückgekehrt ließ er sich als Privatdocent für die Sprachen und Litteraturen des Orients in Tübingen nieder (1835), erkannte aber bald, daß diese Laufbahn wenig Aussicht auf Weiterkommen eröffnete. So wandte er sich denn zurück zu seiner ursprünglichen Bestimmung, dem geistlichen Amt. Die Pastorirung der kleinen evangelischen Gemeinde in der alten|Reichsstadt Rottweil war fortan sein Lebensberuf (1837—1882). Aber die Liebe zum Orient erkaltete nicht bei ihm. Noch in Tübingen hatte er sich an die Verdeutschung "morgenländischer Erzählungen" gemacht und als Anfang die Fabeln Bidpai's nach ihrer arabischen Bearbeitung (Calila und Dimna) ausgehen lassen (Stuttg. 1837). Nun in Rottweil folgten aus dem Persischen überseht Sadi's Rosengarten (Stuttg. 1841) und als Probe altarabischer Poesie die unter dem Namen "Muallakat" bekannten sieben Preisgedichte (Rottw. 1857). Neben der arabischen Dichtung interessirten den Theologen W. die rebigiösen Vorstellungen der Araber, und als Silvestre de Sacy sein berühmtes Exposé de la religion des Druzes schrieb, fühlte W. das Bedürfniß in seinem Buch: "Die Drusen und ihre Vorläufer" (Leipz. 1845) eine freie Bearbeitung von jenem zu geben, welche durch Hinzufügung einer Geschichte der älteren Secten des Islam ihren eigenthümlichen Werth behauptet. Der lange genährte Wunsch, den Orient mit eigenen Augen zu sehen, erfüllte sich bei W. durch eine Palästinareise im J. 1847, welcher ein abermaliger Aufenthalt in Jerusalem im Winter 1869/70 folgte. Hatte schon die Beschreibung der ersten Reise (Stuttg. 1849) praktische Winke für Palästinafahrer enthalten, so trat ein speziell "Jerusalem" schilderndes Werk (Leipz. 1857, 1862, 1872) ganz im Gewande eines (illustrirten) Reisehandbuchs auf. Als Localforscher über die geschichtlichen Monumente der alten Stadt konnte und wollte W. nicht gelten — denn die von ihm ausgeführten Messungen an der Tempelplatzmauer bilden eine Ausnahme —, wol aber kannte er recht gut die Ergebnisse der gelehrten Untersuchungen und wußte zu ihnen Stellung zu nehmen. Was er geben wollte, war eine ausführliche Beschreibung der heutigen Stadt, ihrer Neubauten so gut wie ihrer Trümmerstätten, ihrer alteingesessenen und ihrer zugewanderten Bewohner.
Quelle: Heyd, Wilhelm von, „Wolff, Philipp“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 44 (1898), S. 44-45
Zentralblatt der Bauverwaltung Nr.49, Hrsg: Ministerium der öffentlichen Arbeiten Berlin, 15.Juni 1918 |
Wir verlassen das fromme Treiben am Salbungsstein, der von der israelischen Wasserbehörde Gihon mit einem nie enden wollenden Rinnsal an ("heiligen") Wasser versorgt wird. Nach links geht es durch immer dichter werdendes Gedränge zur Rotunde und dem Grab Jesu. 18 Säulen tragen den Rundbau mit der Kuppel, die in den 1960er Jahren fertig gestellt wurde. In 34 Metern Höhe hat sie einen Durchmesser von ca. 20.5 Metern. 1869 wurde unter der Leitung des französischen Architekten Christophe Edourad Mauss (*1829 in Rouen - †1914) in Zusammenarbeit mit dem russischen Architekten Martin Ivanovich Eppinger* (*1822 - †1872) die damals hölzerne Überdachung der Rotunde durch die jetzige eiserne Kuppel ersetzt worden. Darunter befindet sich ein kastenförmiger Schrein, der als das Grab Christi bezeichnet wird. Die aktuelle Struktur wurde ein Jahr nach dem schweren Brand 1808 errichtet. Die Gelegenheit nutzten die Griechen für die eigenen Vorstellungen einer Restaurierung. Unter dem kaiserlichen Baumeister Komnenos von Mytilene wurde trotz Protest der Franziskaner die Anastasis neu gestaltet. Das Original aus dem 4. Jahrhundert, der konstantinische Bau war vom Heer des Sultan Hakim 1009 zerstört worden. Im Inneren des Schreins befinden sich nun zwei kleine Räume und zunächst betritt man die griechisch-orthodoxe Engelskapelle. Durch eine niedrige Tür erreicht man schließlich die 14. Station des Kreuzweges – das Heilige Grab. Eine Marmorplatte bedeckt die Stelle.
*Die zwischen 1860 und 1872 gebaute Dreifaltigkeitskathedrale in Jerusalem ist von dem russischen Architekten Martin Ivanovich Eppinger im Auftrag der franz. Regierung entworfen worden. Mauss war maßgeblich beteiligt an der Restaurierung der Kirche St. Anna in Jerusalem.
Aufteilung der Konfessionen |
Sechs Konfessionen beanspruchen den der Christen heiligsten Ort. Franziskaner, orthodoxe Griechen, Kopten, Syrer, Äthiopier und Armenier müssen sich dem 1852 von den Osmanen eingeführten Status Quo unterordnen, denn für jedes Glaubensbekenntnis gibt es eigene Kapellen, Heiligtümer, Altare und drei unterschiedliche Zeitrechnungen. Ein Labyrinth mit unzähligen verschiedenen Stilrichtungen, Messen und Prozessionen. Über Treppen, enge Gänge und schmale Maueröffnungen haben wir das Dach erreicht. Der Blick auf die Stadt ist atemberaubend. Hier oben in der Hitze der Mittagssonne ist nichts mehr zu spüren von dem frömmelnden Tumult unter der Kuppel. Eine schwarzafrikanische Enklave hat sich mehr schlecht als recht hier eingerichtet. Noch 1514 hatte der italienische Pilger Barbone (Landstreicher?) Morosini berichtet, die Kapellen St. Maria von Golgatha und St. Paul seien im Besitz der Äthiopier. („Barbone Morosini, Pellegrinaggio in Terra Sancta“). Und nun: neben der Kuppel auf dem Dach der Grabeskirche haben die Mönche der Äthiopisch-Orthodoxen Tewahedo-Kirche ihre ärmlichen Unterkünfte mir 26 kleinen Zimmern und zwei Kapellen. Sie hatten viele heilige Stätten im Land und führten ihre Anwesenheit auf die biblische Königin von Saba zurück, jedoch im 19. Jahrhundert nach einer Seuche ging ihr Einfluss verloren.
Kuppel und Dach der Grabeskirche |
Der ägyptische Statthalter von Syrien und Palästina und Vizekönig von Ägypten Ibrahim Pascha (*1789 - †10.11.1848) ließ 1838 Tausende von wertvollen heiligen Büchern der Äthiopier verbrennen. Koptische Christen verdrängten die äthiopischen Mönche. Als sie später einige der Orte wieder in Besitz nahmen war auch das Debre Seltan (arab.. Deir al Sultan) auf dem Dach der Kirche dabei. 1970 hatten sie während der Osterliturgie und der Abwesenheit der koptischen Mönche die beiden Kapellen besetzt und die Schlüssel ausgetauscht. Man ist nicht zimperlich im Umgang miteinander. Nicht selten artet der Konflikt beider Konfessionen in Prügeleien aus. Das geistige Oberhaupt der äthiopisch-orthodoxen Kirche (der zweitgrößten Ostkirche) war der Patriarch Abune Paulos (*03.11.1935 - †16.08.2012). Den "Hütern der Bundeslade" sei zu wünschen, dass sie gleichberechtigten Anteil am Zusammenleben der Konfessionen in der Grabeskirche erhalten.
"Die Bundeslade, Tabot" Aksum (Axum) Aethiopien 2013 Foto mit freundlicher Genehmigung: timediver ® |
(Siehe auch: "Die Wächter des Heiligen Siegels - Auf der Suche nach der Verschollenen Bundeslade", Graham Hancock, Lübbe Verlag, 1992)
Bundeslade Deckengemälde, Dreifaltigkeitskirche Speyer |
Direkt unter dem Hofe des abessinischen (äthiopischen) Klosters der Jerusalemer Grabeskirche befindet sich - im Besitz der Armenier - die Helena-Kapelle, benannt nach der Mutter des Kaisers Konstantin des Großen. Sie liegt 5,40 m tiefer als der Umgang der Grabeskirche und 29 Stufen führen hinab in den etwa 190 qm großen rechteckigen Raum. Die Kapelle ist von Fels (östlich von Golgatafelsen) umgeben und aus ihm herausgehauen. Von hier sind es weitere 13 Stufen hinunter in den Bereich der Franziskaner*. Die Mauersteine rechts und links zeugen von den Pilgern, die christliche Zeichen in den Stein geritzt haben. An Ende des Ganges öffnet sich der Raum zur Kreuzauffindungskapelle - Golgatha. Die heilige Helena fand hier angeblich das Kreuz Christ, eine Bronzestatue von ihr befindet sich links auf dem Altar.
*Jeden Freitagnachmittag um 15:00 Uhr führt eine Prozession der Franziskaner auf den Spuren Jesu durch die Altstadt von Jerusalem.
Der Pilgerin Aetheria, der wohl aus Galizien oder Südgallien stammenden Nonne (auch Egeria) zufolge, war bereits in der 80er Jahren des 4. Jahrhunderts n. Chr. nur ein verhältnismäßig kleines Fragment des Kreuzes in Jerusalem geblieben. Sie hatte die Stadt zwischen 381 und 384 besucht und ausführlich über die Liturgie berichtet, bei der den Gläubigen die Kreuzreliquie feierlich vorgezeigt wurde. Helena als Finderin wurde von ihr mit keinem Wort erwähnt, wohl aus Unwissen oder auch durch Berichte des Eusebius, Bischof von Cäsarea und Kirchenschriftsteller, der aus kirchenpolitischen oder theologischen Gründen seine Berichte auf das Grab selbst lenken wollte. Waren die Gründe der Errichtung der Kirche letztlich nicht das Grab, sondern der Auffindung des Kreuzes? Helena, so jedenfalls die Überlieferungen, identifizierte es an seiner Inschrift. Pilatus hatte befohlen, die Tafel daran anzubringen. Und Helena sandte ihrem kaiserlichen Sohn Nägel und ein Stück des Kreuzholzes. Auch der Kirchenhistoriker Gelasius von Cäsarea, ein Neffe des Bischof Cyrill von Jerusalem interpretiert den Fund der Nägel als immense historische und politische Bedeutung, der Ursache für die Christianisierung des Römischen Reiches und Bekehrung Konstantins sei.
Das Christentum zählte bereits den 37. Papst, der spanische Damasius I., - Nachfolger des am 24.9.366 verstorbenen Liberius - war seit 366 n.Chr. Oberhaupt der noch jungen Religion. Und Ambrosius von Mailand (geb. etwa 333 in Trier; † 4. April 397 in Mailand), Bischof und einer der vier Kirchenväter der Westkirche beschreibt in seiner bewegenden Totenrede auf den oströmischen Kaiser Theodosius dem Grossen, der am 17.01.395 gestorben war, den Fund des Kreuzes auf Golgatha:
Reliquien vom Kreuz Christi (Notre Dame Paris) |
Nägel Römisches Reich Saalburg-Museum Hessen |
*Alexander VI., Spanier, *01.01.1430 in Jativa bei Valencia, †18.08.1503. Papst von 1492-1503.
Reliquien von der Person Jesus widersprachen dem Glauben an dessen Auferstehung und hätte die Theologen in arge Erklärungsnot gebracht. Hatte Helena tatsächlich die beschriebenen Reliquien gefunden? Oder gab es Kräfte, die ihre Entdeckung für eigene Interessen nutzten? Die Methode der Kreuzigung war zu dieser Zeit keineswegs etwas besonderes. Dies war die bevorzugte Methode, Verurteilten hinzurichten. Schon hier war der Gedanke der Abschreckung durch die öffentliche Qual der Gekreuzigten. Ob ganze Wälder dafür abgeholzt werden mussten mag bezweifelt werden (Montefiore "Jerusalem") - angebunden oder angenagelt - es waren grausame aber praktische Gründe. Unter diesen Gesichtspunkten ist die religiöse und symbolische Bedeutung des Kreuzes kein erfreulicher Gedanke. 1968 fand man bei Bauarbeiten in Giv'at ha-Mivtar in Ostjerusalem ein Grab mit einer steinernen Knochenkiste und den Überresten einer Frau, eines Kindes und einem im Jahre 7 n. Chr. gekreuzigten jungen Mann. Jehohanan, in dessen rechten Fersenknochen noch ein 11,5 cm langer Eisennagel steckte - für die Archäologen eine Sensation, denn dies war der bisher erste Fund eines Gekreuzigten.
Kreuzigung- Wandrelief Dom Frankfurt am Main |
*geb. in Rom, † 27.07.432 in Rom, als Heiliger verehrt. Papst von 422-432.
Der Glaube lässt bei den vielen frommen Pilgern keine Ungewissheit über die Echtheit aufkommen. Nichts ist für sie in diesem Kirchenhaus profan, jeder Stein hat seine religiöse Berechtigung.
"Johannesevangelium 19, 1-3: Da nahm Pilatus Jesum und geißelte ihn. Und die Kriegsknechte flochten eine Krone von Dornen und setzten sie auf sein Haupt und legten im ein Purpurkleid an und sprachen: Sei gegrüßt, lieber Judenkönig! und gaben ihm Backenstreiche."
*Die (wahre ?) Dornenkrone (erstmals erwähnt von Paulinus von Nola 409 n.Chr.), war zunächst (1063 n. Chr.) im byzantinischen Besitz in Konstantinopel, gelangte während der Kreuzzüge 1238 nach Venedig und wurde ein Jahr später von König Ludwig IX. (der Heilige; Heiligsprechung 1297 n.Chr.) aufgekauft. Die Dornenkrone war entscheidend für den Bau der Pariser Palastkapelle Sainte-Chapelle, in der sie seit dem 13. Jahrhundert aufbewahrt wurde. (Sie befindet sich seit der Französischen Revolution zusammen mit einem Nagel und einem Stück vom Kreuz Christi in der Kathedrale Notre-Dame de Paris, zu sehen jeden ersten Freitag im Monat und jeweils Freitags während der Fastenzeit).
Reliquar in Notre Dame de Paris i.d. Mitte Kiefer von Papst Innozenz I. (?)* |
*Auch in der (deutschen) Stadt Gandersheim gibt es Reliquien des Heiligen Papstes Innozenz. Um welche es sich dabei handelt ist allerdings nicht bekannt. Sie wurden in den 50er Jahren zusammen mit dem zweiten Gründungsheiligen Anastasius in der Krypta der Stiftskirche in einem Bleikästchens "begraben". Erhalten hat Gandersheim die Reliquien über die beiden Stifter Liudolf und seiner Frau Oda, die sie 845/46 von Papst Sergius II. für ihre Stiftsgündung erbeten hatten, und die 881 zur Erstweihe nach Gandersheim transferiert wurden. (Quelle 👉 Portal zur Geschichte)
Saint-Chapelle Paris Ludwig IX. |
Koptisch-Orthodoxes Kreuz |
Heute leben etwa 5000 koptische Christen in Jerusalem um ihren Erzbischof, der in der Kapelle des Heiligen Antonius neben dem Heiligen Grab residiert. Der Name "Kopte" leitet sich von der arabischen Bezeichnung "qipt" oder auch "gipt" ab. Die Griechen verwendeten das Wort für das Land Ägypten und dessen Bewohner. Heute bezeichnet das Wort einen christlichen Ägypter und unter der Koptischen Kirche versteht man die orthodoxe Kirche in Ägypten und auch in Äthiopien. Sie ist die größte christliche Kirche im Nahen Osten. Bereits im Jahre 61 n.Chr. wurde die Koptische Kirche von dem Apostel Markus in Alexandria gegründet. Sieben Jahre später, nach dessen Märtyrertod, war Anianos Bischof. Als erstes koptisches Oberhaupt wird St. Heraclas (232-247 n.Chr.) von Eusebius von Caesarea in dessen Kirchengeschichte genannt.
"Es war im zehnten Jahre der erwähnten Regierung, da übersiedelte Origenes von Alexandrien nach Cäsarea und überließ dem Heraklas die dortige Katechetenschule. Bald darauf starb Demetrius, der Bischof der Kirche von Alexandrien, nachdem er volle 43 Jahre im Amte gewesen war. Ihm folgte Heraklas. (Aus: Kirchengeschichte, Eusebius von Caesarea, 6. Buch, Kap 25)
Die Leiter: 1903 - aus The St.Louis Republic 2010 - Foto uHuber |
(eine andere Version besagt, die Leiter sei im Besitz der Armenier und diene der Reinigung des Balkons, auf dem der armenische Superior mit Freunden seine Kaffeekränzchen verbringe und seine Blumen pflege).
Sicher ist - jeden Abend, eine Stunde nach Sonnenuntergang wird vom moslemischen Wächter das Tor zur Grabeskirche geschlossen. Dann kommt niemand mehr hinein. Und auch niemand mehr heraus. Die Küster der Griechen, Lateiner und Armenier handeln jeden Morgen ums Neue aus, wer an diesem Tag punkt 04:00 Uhr die Tür öffnen darf.
Foto: Charles W. Wilson 1865 |
Eine Konsequenz zur Situation am Heiligen Grab wäre die Beendigung des Status Quo, welcher letztendlich zum Stillstand geführt hat. Die offizielle Meinung der Vertretung des Vatikans (Apostolischer Nuntius) tendiert zwar zur Beibehaltung der jetzigen Konstellation, doch mit weiteren Kommentaren ist man zurückhaltend. Erstrebenswert sollte jedoch sein, als Ziel eine demokratische Gemeinsamkeit zu erreichen, worin alle Beteiligten zu gleichen Anteilen im Recht zum Erhalt und zur Ausübung der Riten, Gottesdienste und Nutzung einander gleichberechtigt sind. Strikte Regeln haben zwar ein relativ geordnetes Miteinander ermöglicht, dennoch kommt es immer wieder zu Streitigkeiten bei Übertretungen oder Unklarheiten. Die Leiter über dem Eingang zur Kirche ist dafür als beispielhaft zu nennen. Für viele nicht religiöse Besucher hat das Heilige Grab oft nur noch eine folkloristische Berechtigung, während die fromme Fraktion den Kult immer exzessiver auslebt. Mehr Gemeinsamkeit der Religionsgemeinschaften würde dieser Entwicklung sicherlich entgegenwirken.
Das Einfordern eines Eintrittspreises, vielleicht ein ungewöhnliches Unterfangen für eine Kirche, die dringend benötigten Einnahmen könnten aber dazu beitragen, den langsamen Verfall und die Vernachlässigung ausstehender Restaurationsarbeiten zu stoppen. Was in der Geburtskirche von Bethlehem gelang (dort begann man mit der Restaurierung im September 2013) sollte auch in der Grabeskirche möglich sein. Dazu ist aber auch nötig, dass in der Verwaltung Einigkeit erzielt wird. Ein gleichberechtigtes Miteinander ist dazu erste Voraussetzung. Und einen Verantwortlichen, der im Namen aller beteiligten Konfessionen diese Aufgabe übernimmt. Eine völlige Neuordnung oder Auflösung der "Besitzverhältnisse" und eine Abkehr von Status quo haben vor dieser Demokratisierung Priorität. Ohne ein gemeinsames Vorgehen und dem Willen zur Einheit ist die Zukunft des Hauses und dessen bauliche Substanz eher fraglich.
Quellen:
Heilige Grabeskirche Jerusalem
Adresse:
Suq Khan es-Zeit, Christian Quarter Road
Tel.: 02/627-3314
Öffnungszeiten:
April bis September täglich von 05:00 bis 21:00 Uhr
Oktober bis März täglich von 04:00 bis 19:00 Uhr
Sonntagsmesse:
April bis September 05:30 - 06:00, 06:30, 18:00 Uhr
Oktober bis März 04:30 - 05:00, 05.30, 17:00 Uhr
Archäologie:
1963: Aushub der Kapelle St. Maria.
1968: Ausgrabungen in der Gegend nördlich von Querschiff der Anastasis (heute der Altar der Maria Magdalena).
Filmtip:
Jerusalem - Die Biographie Simon Sebag Montefiore S. Fischer Verlag Ffm ISBN-10: 3100506111 |
Jerusalem - Ein Handbuch und Studienführer zur Heiligen Stadt. |